Artikel in der Pressback, erschienen am 18.Mai

Kampf den Hamburger Zuständen

Be­setzt eure Städ­te!

In der BRD, wo das Ver­mö­gen der Be­völ­ke­rung so un­gleich ver­teilt ist wie in kei­nem an­de­ren Eu­ro-​Staat, sind zwei Mil­lio­nen Woh­nun­gen nicht be­wohnt, wäh­rend Grund-​ und Im­mo­bi­li­en­be­sitz den größ­ten Teil des Net­to­ver­mö­gens der rei­chen Be­völ­ke­rung aus­ma­chen. In Ham­burg, als reichs­ter Stadt der BRD, leben etwa 1.​200 Men­schen auf der Stra­ße, wäh­rend 3.​000 Woh­nun­gen leer ste­hen. Laut An­ga­ben der Stadt feh­len ins­ge­samt über 40.​000 be­zahl­ba­re Woh­nun­gen, im Jahr 2017 wer­den es 50.​000 sein. Und wäh­rend Men­schen bei hor­ren­den Cour­ta­ge-​For­de­run­gen und Kalt-​Qua­drat­me­ter-​Prei­sen, die fünf Euro über dem Bun­des­durch­schnitt lie­gen, in Parks und unter Brü­cken schla­fen, pro­fi­tie­ren an­de­re vom Leer­stand und spe­ku­lie­ren mit al­lein 1,4 Mil­lio­nen m² un­ge­nutz­ten Bü­ro­flä­chen.
Dass Wohn­raum durch die star­ken Preis­stei­ge­run­gen immer knap­per und ex­klu­si­ver wird, wird mit­tels stei­gen­der Ein­woh­ner_in­nen­zah­len zum Na­tur­ge­setz er­klärt. Das un­ter­schlägt, dass Woh­nungs­po­li­tik auch Um­ver­tei­lungs­po­li­tik sein könn­te, und es durch­aus po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen waren, die die Wei­chen für diese Ent­wick­lung ge­stellt haben. An­statt die Ver­ga­be von Woh­nun­gen von so­zia­len Kri­te­ri­en ab­hän­gig zu ma­chen und zum Bei­spiel in Gen­tri­fi­zie­rungs-​Brenn­punk­ten städ­ti­sche Woh­nun­gen vor­ran­gig an Hartz-​IV-​Emp­fän­ger_in­nen zu ver­ge­ben, wur­den sol­che Woh­nun­gen häu­fig an pri­va­te Fonds ver­kauft. Zwar war das Ham­bur­ger Ge­setz zum Schutz von Wohn­raum, das Buß­gel­der von bis zu 50.​000 € für Ver­mie­ter_in­nen an­droht, die ihre Woh­nun­gen mehr als drei Mo­na­te lang nicht ver­mie­ten, ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung. Doch ge­mel­de­te Leer­stän­de wer­den von den zu­stän­di­gen Be­zirks­äm­tern kaum ge­ahn­det.
Mit Leer­stän­den und Spe­ku­la­ti­ons­käu­fen ein­her gehen nicht nur Ver­drän­gung und stei­gen­de Woh­nungs­not, son­dern auch die Ver­un­mög­li­chung so­zia­ler Frei­räu­me ei­ner­seits und die Um­wand­lung öf­fent­li­cher Räume in Pri­vat­ei­gen­tum an­de­rer­seits (so etwa ge­sche­hen am Ham­bur­ger Spiel­bu­den­platz, über des­sen Nut­zung seit 2006 eine Be­trei­ber_in­nen­ge­sell­schaft ent­schei­det). An­ge­sichts der ka­pi­ta­lis­ti­schen Woh­nungs­po­li­tik, die letzt­lich nicht die Grund­be­dürf­nis­se der Men­schen, son­dern den Pro­fit der Ei­gen­tü­mer_in­nen in den Vor­der­grund stellt, wer­den Haus­be­set­zun­gen als Druck­mit­tel und Sym­bol gegen die herr­schen­den Ver­hält­nis­se immer wich­ti­ger. Mehr und mehr In­itia­ti­ven, die mit dem Kampf um die Häu­ser auch den Kampf für ein bes­se­res Leben ver­bin­den, haben sich im Laufe der letz­ten Jahre ge­grün­det, be­gon­nen mit der Be­set­zung des Ham­bur­ger Gän­ge­vier­tels 2009, über den Kampf um die Markt­stra­ße 137, bis hin zu di­ver­sen Be­set­zungs­par­tys des 2012 ge­grün­de­ten Bünd­nis­ses „Schlaf­los in Ham­burg“. Viele der Ak­tio­nen zogen mas­si­ve Re­pres­si­on in Form von Hun­dert­schaft-​Ein­sät­zen mit Pfef­fer­spray und An­zei­gen wegen Haus­frie­dens­bruch nach sich.
Um die­sen Ver­hält­nis­sen etwas ent­ge­gen­set­zen zu kön­nen, fin­den vom 27. bis 31. Au­gust die „Ham­burg Squat­ting Days“ statt. Die DIY-​Kon­fe­renz be­schäf­tigt sich mit den Be­din­gun­gen für eine er­folg­rei­che Haus­be­set­zung, der Ge­schich­te der Haus­be­set­zer_in­nen­sze­ne in Ham­burg und der BRD, Leer­stand, Wohn­raum­kämp­fen und vie­lem mehr. Am 30. Au­gust ist dar­über hin­aus ein bun­des­wei­ter Ak­ti­ons­tag zum Thema Haus­be­set­zung ge­plant.
In­for­ma­tio­nen zu den recht­li­chen Kon­se­quen­zen einer Be­set­zung und dem rich­ti­gen Um­gang damit gibt es zu­sätz­lich in der Bro­schü­re „Haus­be­set­zung und Re­pres­si­on“ der Ham­bur­ger Orts­grup­pe der Roten Hilfe.