Pressespiegel

TAZ – 23. August 2014

„Squatting Days“ in Hamburg
Aktivisten müssen Kröte schlucken

An der Elbe finden diese Woche die „Squatting Days“ statt. In letzter Minute kam es mit der Stadt zu einer Einigung über den Camp-Standort.

Die Blockade hat sich aufgelöst: Die Besetzertage in Hamburg können offiziell stattfinden. Nach Wochen der Funkstille haben sich nun die autonomen Veranstalter der internationalen „Squatting Days“ und das zuständige Bezirksamt Hamburg-Altona auf eine Grünfläche in der westlichen City geeinigt.

Auf dieser können die Teilnehmer aus der Bundesrepublik und Gäste aus europäischen Städten ihre Zelte zum Campieren legal aufschlagen. Ein entsprechender Sondernutzungsvertrag für rund 2.000 Euro für den August-Lütgens-Park vor dem migrantisch-sozialen Zentrum „Haus 3“ im Stadtteil Altona ist unter Dach um Fach. Ab Montag wird dort die Infrastruktur des Camps aufgebaut, das am Mittwoch beginnt und bis zum 31. August andauern soll.

„Wir sind mit der Lösung politisch natürlich nicht glücklich“, sagt Peter P. vom Vorbereitungskreis gegenüber der taz. Schließlich handele es sich um eine nicht-kommerzielle Veranstaltung im öffentlichen Raum, die umsonst sein müsste. Doch die Lage der Grünfläche sei top. Und der Bezirk habe dem öffentlichen Druck nachgeben müssen, das Camp überhaupt zuzulassen. Den Veranstaltern sei jedoch real vor Augen geführt worden, dass öffentlicher Raum erkämpft werden müsse – und das auch mit Geld.

Obwohl die Organisatoren frühzeitig im Mai an die Behörden herangetreten waren, um eine Camp-Fläche mit kostenloser Duldung zur Verfügung gestellt zu bekommen, war der Gesprächsfaden aufgrund von behördlichen Ängsten schnell abgerissen. Den OrganisatorInnen war allerdings immer an einem geordneten Ablauf des Meetings gelegen. Man wolle den Camp-TeilnehmerInnen „einen sicheren Ort“ ohne staatlicher Repression für „inhaltlich vernünftige Diskussionen“ bieten, sagte Mit-Organisatorin Hanna K. der taz. Die VeranstalterInnen verstehen das Treffen als „bildungspolitisches Camp“.

Inhaltlich geht es um Stadtentwicklung, Leerstand und Wohnungsmangel – und um die Frage, wie sich öffentlicher Raum aneignen lässt. „Die Besetzungen von öffentlichen Plätzen verschiedener Städte in den letzten Jahren haben gezeigt, dass das Thema in die Öffentlichkeit drängt“, sagt Hanna K.. In Workshops, bei Vorträgen und in „Vernetzungstreffen“ sollen Erfahrungen ausgetauscht und Diskussionen geführt werden. Mehrere Hundert AktivistInnen aus Deutschland, Italien, Spanien, England, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden werden in Hamburg erwartet.

Den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden musste ihrerseits an einem geordneten Ablauf gelegen sein, um unkontrollierbares Campen der internationalen Squatter-Gruppen in der Elbmetropole mit ihrer Wohnungsnot, den Problemen bei Wohnraum für Studenten und Flüchtlingen sowie allein mit 1,4 Millionen Quadratmetern spekulativen Büro-Leerstand zu vermeiden.
Polizei: „Wir sind nicht naiv“

Auch nach einer symbolischen Besetzung einer geeigneten Fläche in der Nähe des St. Pauli-Kiezes im Juli, auf der wenige Wochen zuvor eine wilde Notunterkunft für Roma und Obdachlosen geräumt worden war, wurde zwar von der Behörde Verhandlungen zugesichert worden. Die kamen aber nicht zustande. „Wir haben grundsätzliche Gesprächsbereitschaft ohne Nennung einer speziellen Fläche signalisiert“, so Bezirksamts-Sprecherin Kerstin Godenschwege zur taz. Dieses Angebot sei „nicht aufgegriffen“ worden. Die Organisatoren erwiderten, dass das Amt sämtliche Mails und Anrufe ihrer Rechtsanwältin Ingrid Witte-Rohde ignoriert habe. In letzter Minute fanden dann doch noch direkte Gespräche statt.

Nun kann ab Mittwoch das vielseitige Workshop-Angebot starten. Da geht es von „Bankenbesetzungen in Catalunyen“ über „Pizzabrot statt Wohnungsnot in Wien“ und „Squatting als Alternative zum Kapitalismus“ bis zur „Organisierung entlang von Alltagskämpfen“.

Fraglich ist indes trotzdem, ob die „Squatting Days“ ohne Vorkommnisse über die Bühne gehen werden. Denn die Polizei geht natürlich auch von Besetzungs-Aktionen außerhalb des Camps aus, wofür es in der Stadt der Millionäre genügend geeignete Objekte gäbe. „Wir sind nicht naiv“, so ein Polizei-Einsatzleiter. „Wir wissen, was für ein Klientel zu erwarten ist und sind gewappnet.“ Aber alle möglichen Objekte seien nicht zu bewachen.

Die OrganisatorInnen haben aber bereits verlauten lassen, dass ihnen die Sicherheit der CampteilnehmerInnen wichtig ist und sie deshalb „an keiner Eskalation interessiert“ seien. Aber man werde sich auch Aktionen „nicht verbieten oder kriminalisieren lassen“. Denn Besetzungen seien angesichts der Wohnungsnot legitim. Bei einer Demonstration am kommenden Samstag wird sich zeigen, wie sich die Theorie in Praxis umsetzen lässt.

BILD – 23. August 2014

Autonomen-Treffen
1. Haus-Besetzer-Kongress in Hamburg

…und der Bezirk stellt die Fläche zur Verfügung

Altona – Kaum zu glauben: Die linke Szene rund um die „Rote Flora“ ruft zum internationalen Workshop für Hausbesetzer auf – und der Bezirk Altona unterstützt sie dabei!

Vom 27. bis 31. August planen Autonome in Hamburg den „Squatting Day 2014“ (engl. to squat = besetzen).

In großer Runde wollen die Linksaktivisten über folgende Frage beraten: „Wie erhöhen wir unsere Chancen auf erfolgreiche Besetzungen?“

So steht‘s in einem Aufruf der Organisatoren im Netz – auf Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Dänisch und Russisch!

Stattfinden soll der Hausbesetzer-Gipfel auf öffentlichem Boden. Mit Zustimmung des Bezirks! Sprecherin Kerstin Godenschwege: „Die Veranstalter werden eine Sondergenehmigung erhalten.“ Begründung: Es könne im Vorhinein nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer Straftaten begehen.

Dass unverhohlen über die Begehung von Straftaten gesprochen werden soll, ist für Bezirksamtsleiterin Liane Melzer (61, SPD) offenbar kein Problem. Wo genau das Camp aufgeschlagen werden darf, steht aber noch nicht fest.

Sven Hielscher (CDU) kritisiert: „Sondergenehmigungen für die Nutzung öffentlicher Flächen werden erteilt, wenn der Anlass dafür ein gemeinnütziger ist. Das kann ich in diesem Fall wahrlich nicht erkennen!“

Joachim Lenders (Deutsche Polizeigewerkschaft): „Mit dieser Veranstaltung züchtet der Staat sich die Hausbesetzerszene selbst heran – und erweist der Polizei einen Bärendienst!“

TAZ – 18. Juli 2014

Kommentar Squatting Days
Prinzipienreiterei fehl am Platz

Die Politik sollte den Organisatoren des Hausbesetzer-Events ein Angebot machen. Sonst könnten viele wilde Camps entstehen.

Dass das „Camp under Construction“ im Rahmen der „Squatting Days“ in Hamburg stattfinden wird, daran wird wohl in den Sicherheitsbehörden und auch in den Bezirksverwaltungen keiner einen Zweifel haben. So oder so. Und die zu dem Meeting Ende August erwartete Szene weiß auch, wie sie so etwas durchsetzen kann. So oder so. Wenn es eine Vielzahl wilder Camps an verschiedenen, über die Stadt verteilten Orten gäbe, dürfte das den Sicherheitsbehörden gar nicht lieb sein.

Darum stellt sich wieder einmal die Frage, warum die Behörden blocken, wenn die Initiatoren des Camp under Construction beim Bezirk Altona nach einer Fläche am Nobistor zwischen Königstraße und Louise-Schröder-Straße fragen.

Denn eine Campvorbereitung braucht Zeit und viel Kompetenz, nicht nur, was die Hygiene oder unfall- und feuertechnische Sicherheitsstandards angeht. Es ist auch eine Infrastruktur nötig, wenn mehrere hundert Menschen für Tage zusammenleben und intellektuell innerhalb und außerhalb des Camps arbeiten wollen. So etwas kann gar nicht anonym organisiert werden, so dass die Frage einer Anmeldung müßig ist. Wenn der Bezirk Altona gegen das auserkorenen Gelände triftige Einwände hat, sollten diese schnell auf den Tisch. Die Politik sollte Alternativen vorschlagen und den Organisatoren eine Hängepartie ersparen.

Denn momentan tun sich Parallelen zum Klima- und antirassistischen Camp von 2008 auf. Da nannte der Bezirk Mitte erst in der letzten Minute umweltpolitische Gründe, warum damals das Camp nicht im Entenwerder Park in Rothenburgsort stattfinden konnte – sonst wäre der Park besetzt worden.

Es bedurfte damals einer Kraftanstrengung, in die der Staatsrat für Bezirksangelegenheiten Manfred Jäger (CDU) und Vertreter der Liegenschaft einbezogen werden mussten, damit dann in Bahrenfeld einvernehmlich eine geeignete Fläche gefunden werden konnte.

Die Behörden sollten schnell dafür sorgen, dass die Faktenlage klar ist und das Camp in geordneten Bahnen laufen kann. Sonst tragen sie die Verantwortung für die Folgen.  KAI VON APPEN

TAZ – 18. Juli 2014

Squatting days in Hamburg
Platz da!

Ende August soll die Stadt zum Treffpunkt für internationale Hausbesetzer werden. Jetzt bereits laden die OrganisatorInnen zu Grillfest und „Erstbegehung“.

Ein „Camp under Construction“ zwischen König- und Louise-Schröder-Straße: Dazu haben die OrganisatorInnen der „Squatting Days“ die Grünfläche am Nobistor erklärt. Hier wollen sich Ende August Angehörige verschiedener Gruppen und Projekte treffen und austauschen – das Thema: Hausbesetzung.

Schon am heutigen Samstag findet die „Erstbegehung der Campfläche“ statt: Der Vorbereitungskreis der Squatting Days lädt dazu ein, „ein symbolisches Camp aufzubauen, die Fläche auszuprobieren“. Das Bezirksamt Altona ist davon nicht begeistert. Laut Sprecherin Kerstin Godenschwege hat der Bezirk keine Möglichkeit, den OrganisatorInnen „Unterstützung zuzusagen“.

Die VeranstalterInnen verstehen das Treffen als „bildungspolitisches Camp“. Inhaltlich geht es um Stadtentwicklung, Leerstand und Wohnungsmangel – und um die Frage, wie sich öffentlicher Raum aneignen lässt. Vom 27. bis 31. August sollen in Workshops, bei Vorträgen und in „Vernetzungstreffen“ Erfahrungen ausgetauscht und Diskussionen geführt werden. Mehrere Hundert Gäste aus Deutschland, Italien, Spanien, England, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden werden erwartet.

Für die OrganisatorInnen gibt es aktuell viele Anlässe, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Die Besetzungen von öffentlichen Plätzen verschiedener Städte in den letzten Jahren haben gezeigt, dass das Thema in die Öffentlichkeit drängt“, sagt Hanna K., 25.

Als Veranstaltungsort entspricht der Park am Nobistor genau den Vorstellungen der VeranstalterInnen. An den Bezirk Altona trat das Organisationsteam bereits Ende Mai heran. Es kam zu einem Gespräch zwischen zwei Bezirksbeamten und Delegierten des Vorbereitungskreises. Die Squatting Days signalisierten nach eigenen Angaben Kompromissbereitschaft. „Uns liegt sehr viel daran, einen sicheren Ort für die CampteilnehmerInnen zu schaffen“, sagt Hanna K. Der Bezirk habe weitere Gesprächs- und Verhandlungstermine in Aussicht gestellt, zu denen es dann aber nicht kam.
Hinhocken, um zu bleiben

Auf Nachfrage teilt das Bezirksamt mit, es liege kein Antrag auf Nutzung der Fläche am Nobistor vor. Anstelle einer offiziellen Genehmigung wünscht sich der Vorbereitungskreis der Squatting Days die Art von Duldung, wie sie alljährlich auch das unangemeldete Schanzenfest bekommt. Man sei am Dialog mit der Stadt weiterhin interessiert, versichert Hanna K.

An dem Squatting-Event beteiligen sich zahlreiche Hamburger Gruppen und Projekte, von denen einige selbst aus Besetzungen hervorgegangen sind, darunter das Gängeviertel oder die Rote Flora. Aber auch Vereine und Institutionen wie das Kölibri oder das Centro Sociale sowie Abgeordnete der Linksfraktion unterstützen die Veranstaltung.

Unter „Squatting“ – von englisch „to squat“, hinhocken – versteht man die Besetzung eines Hauses oder einer Fläche aus politischen Gründen.

Ein „Squat“ ist ein besetztes Haus, das von den BesetzerInnen selbstverwaltet genutzt wird. Bekannte Squats sind die Rote Flora und das Gängeviertel.

Die Besetzung der Häuser in der Hafenstraße seit 1981 ist wohl die bekannteste Hamburger Hausbesetzung. Mittlerweile gehören die Häuser einer eigens gegründeten Genossenschaft. Entscheidungen trifft das Plenum der Bewohner.